INTERVIEW - SCHWARZE SPINNE EP

Das Bierbeben - Schwarze Spinne EP
Interview mit Jan Müller   

Martin Hossbach: Das Bierbeben gilt vielen Hörerinnen und Hörern als »antideutsch«, nicht zuletzt wegen des durchgestrichenen Bundesadlers, der, nun ja, Ihr Maskottchen ist? Oder war? Nun prangt auf der Rückseite Ihrer neuen Single zuoberst ein Zitat von Irmgard Keun, die sich einerseits über Nationalstolz lustig macht, andererseits aber schon auch findet, dass man dieses Land lieben kann (»auf meine Art«). Erzählen Sie uns bitte, wie sie auf Keun gestoßen sind und wie Sie es mit Deutschland halten!

Jan Müller:
Auf Irmgard Keun stieß ich eher zufällig als ich mich mit der verbrannten deutschen Literatur beschäftigte. Mich verblüffte, wie treffend es der erst 25jährigen Keun Anfang der 1930er Jahre gelang ein ganz spezifisches Gefühl zur eigenen Nation zu artikulieren. Der durchgestrichene Bundesadler flog uns im Zuge der Band-Gründung entgegen. Die Piss-Off-Geste gefiel uns gut. Darüber hinaus reizte uns vor allem ein Logo zu haben, welches eine Verunglimpfung beinhaltet - leider kam es nie zur Strafanzeige. Selbstverständlich ist mir die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Nation näher als völkischer Ungeist. Doch der Tonfall mancher antideutscher Stimmen erscheint mir dann doch mitunter etwas selbstgerecht und auch falsch insofern ist das Irmgard-Keun-Zitat auch ein Kommentar zum durchgestrichenen Adler.

Keuns Zitat steht über den Songtexten. Wurden die zum Teil stark expressionistisch wirkenden Texte selber dann auch von der Gemengelage »Nation« beeinflusst? Um was geht es z.B. in »Die schwarze Spinne«? Und warum die Übersetzung ins Englische? Service für den Käufer im Ausland?

Mein Bemühen ist, den mittlerweile recht persönlichen Texten des Projektes Das Bierbeben auch einen politischen Aspekt zu verleihen. Zum Beispiel handelt »Zündet an was brennen kann« auch von der im NS-Jargon artikulierten aggressiven Verblödung, die seit Monaten durch deutsche Straßen und die Netzwerke wütet. »Die schwarze Spinne« hingegen ist ein Text über Verführung und scheinbare Ausweglosigkeit. Der Titel ist einer Novelle von Jeremias Gotthelf aus dem Jahr 1842 entlehnt. Bei dem Verfassen des Textes hatte ich den Inhalt der Novelle kaum mehr im Kopf, aber nach nochmaliger Lektüre kann ich sie wärmstens empfehlen. Die Kunst des Biedermeier wird ja eh mitunter vollkommen falsch verstanden. Es gibt da doch auch eine sehr kräftige, düstere Ebene. Die englischen Übersetzungen hat unsere Sängerin Julia verfasst – wir finden es interessant, wie unsere Texte, die sich in fast allen Ebenen auf deutschsprachiges beziehen in der englischen Übersetzung wirken und außerdem ist es auch ein Service, genau.

Bestimmt der Text das musikalische Gewand? Oder ist es umgekehrt? Oder haben Text und Musik bei Das Bierbeben nicht unbedingt etwas miteinander zu tun?

Text und Musik bedingen einander; entweder indem sie sich direkt aufeinander beziehen oder auch kontrastieren. Ich liebe zum Beispiel den Song »Beautiful Happiness« der US-Band Drunks with Guns: von bedrohlich-brachial-verzerrten begleitet schimpft der Vokalist einen übertrieben idyllischen Text ins Mikrophon. Meist erstellen wir zunächst auf Samples basierende Skizzen, und ich schreibe die Texte während ich später diese Skizzen höre.  

Die neue EP erscheint anlässlich des Record Store Day – hat sich Das Bierbeben etwas besonderes einfallen lassen, was die Verpackung angeht?

Durch ein Spinnennetz kann man durchblicken, unsere Idee lautete daher diesmal "vollkommene Transparenz" - Jede Käuferin und jeder Käufer wird Das Bierbeben durchschauen können.